Am ersten Septemberwochenende besuchte ich die Kleidertauschbörse der Green World Tour, einer Nachhaltigkeitsmesse, die auf dem Außengelände der Malzfabrik, einem Veranstaltungsort in meinem Heimatbezirk Tempelhof-Schöneberg, stattfand. Auf der von Greenpeace empfohlenen Webseite kleidertausch.de habe ich von diesem Event erfahren.
Ich war neugierig, das Tauschen auszuprobieren. Vier ausgemusterte Kleidungsstücke hatte ich zu diesem Zweck dabei. Die Mitarbeiter*innen hingen Kleidungsstücke auf Bügel, als ich ankam. Fünfzehn Minuten später sollte es losgehen. Alle waren gut drauf und die Stimmung entspannt. Ich half beim Aufhängen der Tauschstücke. Dabei fiel mir ein blau-weiß gestreifter Pullover auf.
Ab zwölf Uhr durfte getauscht werden. Es gab keinen offiziellen Startschuss und niemand stürzte sich –wie einst im Schlussverkauf– auf die Sachen, also nahm ich den Streifenpulli von der Stange und betrachtete ihn. Einhundert Prozent Baumwolle, meine Größe, keine Löcher oder Flecken, Volltreffer. Ich blickte mich um.
“Ja”, sagte mir eine Organisatorin der Kleidertauschbörse. Ich freute mich total! Dann schaute ich die Kleidung weiter durch. Es gab mehrere meterlange Stangen, auf denen die mitgebrachte Kleidung sortiert nach Art hing. Ich fand ein weit geschnittenes, gemustertes Kleid, auf dessen Größenlabel "no size" stand. Das war mir neu. Erneut sah ich mich um.
Schnell fand ich zwei große Umkleidekabinen und brachte in Erfahrung, dass "no size " nicht "my size" ist. Mittlerweile war der Kleidertauschstand richtig gut besucht. Hauptsächlich Frauen zwischen 25 und 45 fanden sich ein. Später erblickte ich auch jüngere sowie ältere Frauen und ein Paar Männer, die sich die Kleidung ansahen.
Das positive Gefühl, das sich beim Kleidertausch einstellt, ist absolut vergleichbar mit dem Glücksgefühl, was man beim Kauf von Neuware hat. Ich fühlte mich sogar noch besser. Denn durch das Tauschen wird nicht nur die Umwelt geschont, was mir ein gutes Gewissen beschert, on top hat jemand anderes Freude an meinen aussortierten Sachen.
Geben fühlt sich ebenso gut an wie Nehmen.
Tauschen ist zudem persönlicher, als ich dachte. Klar steht nicht jede*r direkt hinter den eigenen Sachen wie auf einem Flohmarkt, doch viele der Anwesenden haben Tauschteile mitgebracht, wodurch sich ein guter Eindruck von den Vorbesitzer*innen bekommen lässt. Und dieser war hier durchweg positiv.
Obwohl ich mein Leben lang Second-Hand-Kleidung trage, stand ich dem Tausch von Kleidung skeptisch gegenüber. Als Teenager tauschte ich einzelne Stücke mit meinen Schwestern und Freundinnen. Meistens waren es Kleider für besondere Anlässe wie einen Schulball oder eine Party.
Meine erste Kleidertauschbörse besuchte ich 2012 in einem Nähatelier in Neukölln. Am Einlass wurden die mitgebrachten Teile bewertet und ich bekam eine Währung. Damit ließen sich dann Teile “kaufen”. Durch die Beurteilung der Kleidung wirkte das Event verkrampft.
Ein Jahrzehnt später erfreuen sich Kleidertauschbörsen immer größerer Beliebtheit. Dass sie im Trend sind, ist wertvoll.
Mode zu tauschen funktioniert wunderbar!
Es fühlt sich gut an, die Sachen wegzugeben, an denen man komischerweise festhält, ohne sie je zu tragen. Tauscht man sie gegen Kleidung, von der man es kaum erwarten kann, sie anzuziehen, ist man zufrieden.
Kennt ihr noch die Bilder aus dem Fernsehen, wo Menschen zum Schlussverkauf in Warenhäuser strömen? So ungefähr hatte ich mir die Tauschbörse vorgestellt. Doch alle Tauschenden waren entspannt. Ich beschloss, nicht viel mehr mit nach Hause zu nehmen, als ich gebracht habe, um fair zu bleiben. Reizvoll war es jedoch, das gebe ich zu.
Als Verbesserung empfehle ich den Veranstaltern vorher zu kommunizieren, welche Kategorien an Kleidung getauscht werden können. Ich hatte zum Beispiel keine Kinderkleidung dabei, obwohl ich nur zu gern welche mitgebracht hätte. Dass das Tauschen von Kinderkleidung möglich war, erfuhr ich erst auf der Veranstaltung. Das gleiche gilt für Schwangerschafts- sowie Herrenkleidung.
Die Pullover, die ich mir aussuchte, sind von sehr guter Qualität. Einer stammt von einem französischen Label. Neu hätte ich mir beide Oberteile nicht geleistet. Ich bin super zufrieden. Über meinen neuen Streifenpullover freue ich mich am meisten und kann kaum erwarten ihn zu tragen.
Bevor das Tauschen losging, fiel mir an einer Kleiderstange eine kurze blaue Leinenhose positiv auf. Als ich sie etwas später suchte, musste ich feststellen, dass jemand schneller war. Dafür fand ich eine schwarze Jeans. Sie stand schon länger auf meiner Basicliste, ist aber second-hand schwer zu finden. Meist sind sie slimfit oder ausgeblichen. Und hier war sie nun meine neue wide-leg Jeans in schwarz: Passend und fast umsonst. Freu!
“What you give is what you get. Je besser die Sachen sind, die zum Tausch angeboten werden, desto zufriedener gehen alle am Ende nach Hause”
Das kommt auf die Veranstaltung an. Häufig ist es nicht zwingend notwendig, etwas mitzubringen. Es geht schließlich darum, auf kurzem Weg ein neues Zuhause für Kleidung zu finden, die sonst im Müll landen würde. So wird Konsum minimiert und damit Ressourcen geschont. Meist freuen sich die Veranstalter über Geldspenden, da es sich oft um ehrenamtlich organisierte Events handelt.
Mode, die nicht umweltfreundlich und sozial gerecht produziert wurde in einem Geschäft oder online zu kaufen, macht unser Klima kaputt. Es verschwendet ungeheuer viel Ressourcen, giftige Chemikalien kommen zum Einsatz und der CO2 Ausstoß ist immens. Außerdem sorgt billig produzierte Kleidung für soziale Ungerechtigkeit. Menschen werden ausgebeutet. Ich wurde Modedesignerin um neue Dinge zu erschaffen. Das geht auch mit dem, was schon da ist.
“Kleidertausch ist eine klare Win-win-Situation für Dich und die Umwelt”
Jana Reiche
Jana
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